Andreasviertel

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Das Andreasviertl in Erfurt

Das Andreasviertel in Erfurt ist ein besonders Stadtviertel und du solltest es bei einem Besuch in Erfurt nicht versäumen. Das Viertel nördlich des Domplatzes ist fast noch ein Erfurt Geheimtipp, lohnt sich aber! Warum? Es erwarten dich verwinkelte Gassen, farbenfrohe Fachwerkhäuser und eine Atmosphäre, die ein bisschen an ein mittelalterliches Dorf erinnert – mitten in der Stadt. Das Viertel liegt nur einen kurzen Spaziergang vom Domplatz entfernt und ist doch eine Welt für sich: ruhig, malerisch und voller Geschichte.

Das Andreasviertel hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Einst lebten hier Handwerker und Händler, später drohte der Abriss. Doch engagierte Bürger retteten das Viertel. Heute erstrahlen die historischen Häuser in neuem Glanz. Gemütliche Cafés und kleine Läden laden zum Verweilen ein. Während deines Rundgangs entdeckst du nicht nur beeindruckende Bauwerke wie die Andreaskirche oder den Kornhofspeicher, sondern auch viele kleine Details, die dieses Viertel so einzigartig machen. Wir fanden das sehr schön. Lass dich vom Domplatz hierher treiben und genieße das besondere Flair des Andreasviertels!

Die Lage des Andreasviertels

Das Andreasviertel liegt im Norden der Erfurter Altstadt. Im Westen grenzt die Andreasstraße das Viertel ab und dahinter erhebt sich der Petersberg mit der imposanten Zitadelle. Südlich vom Andreasviertel liegt das historische Zentrum mit Rathaus und Domplatz und nördlich des Viertels beginnt die Andreasvorstadt. Im Osten schlängelt sich der Fluss Gera als Abgrenzung. Der Kern des Viertels besteht aus vielen kleinen Quergassen zwischen der Andreasstraße, der Michaelisstraße und Moritzstraße. Diese Lage fast im Zentrum der Stadt und doch ein wenig abseits des großen Trubels ist einer der Gründe, warum das Stadtviertel so beliebt ist. Die Bebauung mit den kleinen (Fachwerk-) Häusern mit oft bunten Fassaden und vielen Innenhöfen machen das Andreasviertel zu einem der zauberhaftesten Viertel des Stadt.

Die Geschichte des Andreasviertels

Vom alten Handwerkerviertel zur Geisterstadt

Das Viertel entstand bereits um das Jahr 1000. Handwerker und Händler siedelten sich an, um die nahegelegene Zitadelle Petersberg mit Waren und Dienstleistungen zu versorgen. Einige Straßennamen, wie etwa die Weber- oder Pergamentergasse, erinnern noch heute an die ehemaligen Bewohner dieses Quartiers. Während in anderen Teilen der Altstadt prächtige Bürgerhäuser gebaut wurden, blieb das Andreasviertel von einfachen Fachwerkbauten geprägt. Die meisten Häuser waren auch sehr einfach und es gab keinen innenliegenden Toiletten oder Badezimmer. Die Bewohner lebten ärmlich. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es als „Schandfleck“ der Stadt betrachtet, und es gab erste Pläne für eine Neubebauung.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es Pläne das Viertel durch Mietwohnneubauten zu ersetzen. Und so entstand der Moritzhof – südlichen Moritzstraße bis zur Einmündung Webergasse. Heute ist dieser Neubau aus den 1920er Jahren denkmalgeschützt. Elemente aus dem Neobidermeier mit Gesimsbändern dekorativen Blendbögen. Doch ein großer Teil des Viertels wurde vernachlässigt. Vor allem zu Zeiten der DDR. Das lag zum einem am fehlenden Geld und zum anderen wollte man hier eigentlich ein modernes Viertel erschaffen mit Plattenbauten. Zahlreiche Häuser standen leer. Eine Vielzahl von Gebäuden galt als nicht mehr sanierungswürdig und wurde deswegen abgebrochen. Das Andreasviertel wurde Haus für Haus zum Geisterquartier.

Sanierung und Wiederaufbau nach 1990

Aber es organisierte sich auch Widerstand gegen den geplanten Abriss des Andreasviertels. Bewohner und Denkmalschützer trafen sich in einer Bürgerinitiative, welche im Mai 1987 den Startschuss für einen offenen, nicht mehr zu ignorierenden Protest bildete. Ausgehend vom Kampf um den Erhalt des Andreasviertels war nun die Rettung der gesamten Erfurter Altstadt erklärtes Ziel – nicht nur der Bürgerinitiative. Am 08.12.1989 versammelten sich doch Tausende Erfurter zum „Bürgerwall“, einer Menschenkette entlang des ehemaligen Stadtmauerverlaufes.

Nach der Wiedervereinigung war das Andreasviertel eine Mischung aus bewohnten Häusern, Ruinen und Brachflächen. Doch mit gezielten Sanierungsmaßnahmen gelang es, das Viertel nach und nach wiederaufzubauen. Heute präsentiert sich das Andreasviertel als ein liebevoll restauriertes Stadtviertel.

Sehenswürdigkeiten im Andreasviertel

Während deines Spaziergangs durch das Andreasviertel wirst du auf zahlreiche historische Bauwerke stoßen. Die Andreaskirche, nach der das Viertel benannt wurde, stammt aus dem 12. Jahrhundert und beeindruckt mit ihrem geschnitzten Luther-Relief. Ebenfalls sehenswert ist der Kornhofspeicher, einer der größten und besterhaltenen Kornspeicher aus dem Spätmittelalter. Zu sehen ist außerdem er Georgsturm – ein Kirchturm ohne Kirche und die Georgenburse. Hier wohnte Luther zu seiner Zeit als Student. Die dunkle Seite der DDR-Geschichte erlebst du in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, dem ehemaligen Stasi-Gefängnis. Und dann sind da noch die vielen kleinen Fachwerkhäuser, die das Viertel so besonders machen – jedes mit seinem eigenen Charme und teils sogar mit individuellen Hausnamen.

Das Andreasviertel ist heute eine Mischung aus historischem Flair und modernem Stadtleben. In den idyllischen Innenhöfen findest du gemütliche Cafés und urige Kneipen, die zum Verweilen einladen. Kleine, individuelle Läden bieten handgemachte Kunstwerke, besondere Souvenirs und regionale Spezialitäten an. Besonders im Sommer fühlt sich das Viertel fast ein bisschen mediterran an – vielleicht liegt es an den farbenfrohen Fassaden und den malerischen Fensterläden, die einen Hauch von Italien versprühen.

Andreaskirche – Namensgeber des Viertels

Die Andreaskirche in Erfurt
Die Andreaskirche in Erfurt, Foto: Tilman2007, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das Lutherrelief in der Andreskirche
Das Lutherrelief in der Andreskirche, Foto: Thomas Hummel, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Andreaskirche gehört zu den ältesten Kirchen der Stadt und ist eng mit der Geschichte der Reformation verknüpft. Bereits im Jahr 1182 wurde die Andreaskirche erstmals urkundlich erwähnt. Der Bau der heutigen Kirche begann um 1210 und wurde 1370 vollendet. Ein verheerender Brand im Jahr 1416 zerstörte das Bauwerk jedoch fast vollständig. Doch das Gotteshaus wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts wieder aufgebaut und erhielt um 1830 eine umfassende Umgestaltung. Bis heute beeindruckt sie mit ihrer schlichten, aber kraftvollen Architektur: Sie besitzt eine Flachdecke mit Spitztonne, über dem südlichen Haupteingang befindet sich ein kunstvolles Kreuzigungsrelief aus dem Jahr 1370. Mit der Einführung der Reformation 1522 wurde die Andreaskirche evangelisch. Im Jahr 1604 wurde sie mit der benachbarten Gemeinde der Moritzkirche zusammengelegt, 1973 folgte der Zusammenschluss mit der Gemeinde der Michaeliskirche.

Ein besonderes Highlight in der Andreaskirche ist das älteste bekannte Lutherdenkmal: das Holzmodell der Grabplatte Martin Luthers. Nachdem der Reformator 1546 in Eisleben verstarb, ließ sein Landesherr Johann Friedrich der Großmütige eine Bronzegrabplatte für die Schlosskirche in Wittenberg anfertigen. Die Vorlage dafür war ein kunstvoll geschnitztes Holzmodell, das in der Erfurter Werkstatt des Gießers Heinrich Ciegeler entstand. Während die fertige Bronzeplatte später nach Jena gebracht wurde, blieb das Modell in Erfurt erhalten. Seit 1727 befindet es sich in der Andreaskirche und wurde mehrfach restauriert – zuletzt in den 1980er-Jahren. Das Relief zeigt Luther in Lebensgröße und ist eine eindrucksvolle Erinnerung an sein Wirken. Du findest es vorne rechts neben dem Altar.

Georgenburse – Luthers Studentenunterkunft in Erfurt

Die Georgeburse
Die Georgeburse heute, NoRud, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Wenn du durch das Andreaviertel von Erfurt spazierst, kannst du noch weiter auf den Spuren Martin Luthers wandeln. Zwischen 1501 und 1505 lebte er in der Georgenburse, einem Wohnhaus für Studenten und Lehrkräfte der Universität Erfurt. Sie stand am südlichen Ende der Lehmannsbrücke am Breitstrom und bot jungen Gelehrten eine Unterkunft. Erstmals erwähnt wurde die Georgenburse 1456, ihre Geschichte reicht jedoch bis ins 14. Jahrhundert zurück. Studenten organisierten hier ihren Alltag selbst: Ein Magister leitete die Burse, während ein fest angestellter Koch für das Essen sorgte. Die übrigen Verwaltungsaufgaben übernahmen die Bewohner.

Als die Studentenzahlen im 16. Jahrhundert sanken, verkaufte die Stadt Erfurt die Burse. Damals bestand der Gebäudekomplex aus mehreren Häusern. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben am 25. Februar 1945 fast alle Gebäude der Georgenburse, darunter die Vorderhäuser an der Augustinerstraße. Nur ein einziges Haus blieb erhalten. 1983 wurde es restauriert, sodass du heute noch ein Stück dieser historischen Studentenunterkunft bestaunen kannst.

Luthers Zeit in Erfurt

Martin Luther in Erfurt
Nach seiner Schulzeit in Mansfeld, Magdeburg und Eisenach begann Martin Luther 1501 sein Studium an der Universität Erfurt. Er wohnte in der Georgenburse und legte 1502 das Baccalaureats-Examen ab, 1505 folgte die Promotion zum Magister der Freien Künste. Ursprünglich wollte er Jura studieren, doch eine tiefgreifende religiöse Erfahrung – das sogenannte Blitzerlebnis bei Stotternheim im Juli 1505 – führte ihn ins Erfurter Augustinerkloster, wo er Mönch wurde.1507 empfing Luther die Priesterweihe und vertiefte sich in das Theologiestudium. Er stieg rasch auf, wurde 1508 dritter Lektor des Generalstudiums und 1509 baccalaureus formatus. 1510/1511 unternahm er eine Reise nach Rom, kehrte danach noch einmal kurz nach Erfurt zurück, bevor er die Stadt im Sommer 1511 endgültig verließ, um nach Wittenberg zu gehen. Seine zehnjährige Zeit in Erfurt prägte ihn stark. Später nannte er die Erfurter Universität ehrfürchtig seine „mater mea“ – seine geistige Mutter. 1537 besuchte er Erfurt letztmals.

Kornhofspeicher – Früher Kornspeicher, heute Parkhaus

Wenn du Andreasviertel erkundest, solltest du unbedingt einen Blick auf den Kornhofspeicher werfen. Dieses beeindruckende Bauwerk in der Großen Ackerhofgasse zählt zu den größten und besterhaltenen Kornspeichern des Spätmittelalters. Der Kornhofspeicher wurde zwischen 1465 und 1467 auf dem Gelände eines ehemaligen jüdischen Friedhofs errichtet. In dieser Zeit wuchs Erfurt wirtschaftlich stark, und die Stadt benötigte mehr Lagerraum für ihr Getreide. Nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung im Jahr 1349 und erneut 1458 nutzte die Stadt das Gebiet nun für ihre eigenen Zwecke. Die Grabsteine des Friedhofs wurden teilweise für den Bau wiederverwendet.

Schon von außen beeindruckt der Kornhofspeicher mit seiner Größe: Das langgestreckte Gebäude ist rund 83 Meter lang und bis zu 25 Meter breit. Sein markantes Krüppelwalmdach mit Biberschwanzziegeln erstreckt sich über vier Stockwerke. Der Innenraum wird von einer historischen Holzkonstruktion getragen, die bis heute weitgehend im Originalzustand erhalten ist. Insgesamt verfügt der Kornhofspeicher über 21 Fensterachsen und eine Grundfläche von fast 1.800 Quadratmetern.

Nachdem der Kornhofspeicher lange Zeit leer stand, entschied sich ein privater Investor, das Gebäude in ein Anwohnerparkhaus umzubauen. Um die wertvolle Holzkonstruktion zu erhalten, wurde das Bauwerk 2010 einer gründlichen Schädlingsbekämpfung unterzogen. Heute bietet der Kornhofspeicher auf zwei Etagen rund 90 Stellplätze und verbindet so seine lange Geschichte mit einer modernen Nutzung.

Georgsturm – Ein Kirchturm ohne Kirche

Der Gerorgsturm in Erfurt
Der Gerorgsturm in Erfurt, Foto: Tilman2007, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der Georgsturm ist ein Überrest der Georgskirche, die 1132 in den Urkunden Erwähnung findet. 1290 entstand ein neuerer Kirchenbau, der 1380 durch den heute noch vorhandenen Turm ergänzt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Kirchenschiff durch die Schweden zugunsten des Festungsbaus abgerissen und so ist heute nur noch der Turm erhalten. Seit der Reformation diente der Turm der evangelischen Michaeliskirche als Glockenturm. 4 Glocken läuteten in ihm. Die Größte wog 1900 Kilogramm. Zwei der Glocken findest du heute in der Michaeliskirche. Eine davon ist die älteste Glocke der Stadt. Sie wurde 1380 gegossen.

Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße – Ein Blick in die dunkle Vergangenheit der DDR

Ausflug in die DDR-Geschichte in Erfurt mit Kindern: Das ehemalige Gefängnis Andreasstraße
Ausflug in die DDR-Geschichte in Erfurt: Das ehemalige Gefängnis Andreasstraße
Andreasstraße Erfurt

Auch in Erfurt gibt es dunkle Kapitel in der Geschichte. Eines davon ist die ehemalige Untersuchungshaftanstalt der Stasi, die heute als Gedenk- und Bildungsstätte dient. Sie liegt am Rand des Andresviertels, am Fuß des Petersbergs. Hier kannst du hautnah erleben, wie das SED-Regime funktionierte und welche Folgen es für die Menschen hatte. Das Haus ist in drei Themenbereiche unterteilt: Haft, Diktatur und Revolution – jedes Stockwerk widmet sich einem dieser Themen.

Im zweiten Obergeschoss findest du fast original erhaltene Haftzellen. Während du durch die Räume gehst, hörst du Berichte von ehemaligen Gefangenen und erfährst, wie es sich anfühlte, plötzlich verhaftet zu werden – oft ohne zu wissen, warum. Die Unsicherheit, die unmenschliche Behandlung, die psychische Belastung – all das wird hier spürbar. Besonders bedrückend ist die Isolierzelle. Im ersten Obergeschoss tauchst du tiefer in das Leben in der DDR ein. In Geschichten, die in Comic-Stil erzählt werden, erfährst du von Menschen, die vor der schwierigen Entscheidung standen: Sich dem Regime anpassen oder ihren freien Willen bewahren?

Du bekommst Einblicke in die Jugendkultur der DDR und wie junge Menschen sich trotz staatlicher Kontrolle ihre Freiräume schufen. Im Erdgeschoss dreht sich alles um die Revolution von 1989 und die Öffnung der Grenzen. Hier erfährst du, wie Erfurter Bürger das Stasi-Gebäude besetzten, um eine Vernichtung der Akten zu verhindern. Auch hier erzählen Zeitzeugen von ihren Erlebnissen – bewegende Berichte, die dich noch lange beschäftigen werden.

Andreasviertel Sehenswürdigkeiten: Karte

Zur besseren Orientierung habe ich dir die interessanten Gebäude im Andreasvierte in die Karte eingezeichnet:

  1. Andreaskirche
  2. Georgsturm
  3. Kornhofspeicher
  4. Georgenburse
  5. Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße

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